Phantasy Star
Wie das Rollenspiel erst auf die Welt und dann nach Japan kam.
Vor fast genau 30 Jahren erblickte mit Phantasy Star (Phantasy Star) ein Spiel das Licht der Welt, welches nicht weniger machen sollte, als Enix Dragon Quest in seine Schranken zu weisen. Blicken wir also auf diese Zeit zurück und schauen, inwiefern dieses ehrgeizige Ziel erreicht wurde!
1986 erschien mit Dragon Quest ein unglaublicher Überraschungserfolg, der sich allein in Japan über eine Million mal verkaufen konnte. So ein Erfolg auf einer Konsole, deren langfristiger Erfolg langsam abzusehen war, und die immer populärer wurde, ermunterte natürlich Nachahmer: Enix selber zog 1987 mit dem zweiten Teil, Dragon Quest II, nach, während das kleine, dem Scheitern nahe Unternehmen Square mit Final Fantasy den Grundstein für eine 30-jährige Erfolgsgeschichte legten. Nintendo hatte also allen Grund zu jubeln, sicherten ihnen diese Exklusivverträge mit Drittherstellern einen steten Zufluss hochklassiger Software.
Aus der Not eine Tugend machen
Beim Hauptkonkurrenten Sega sah man das wohl anders. Das Master System konnte sich nicht wirklich gegen den Famicom durchsetzen — gerade Nintendos Exklusivverträge sorgten dafür, dass man auf dem eigenem System vor allem auf Eigenentwicklungen angewiesen war. Inspiriert von Dragon Quest beauftragte man ein Team, das ein neues Rollenspiel entwickeln sollte - ohne selber genau zu wissen, was ein RPG überhaupt ist. Während das ganze Team aus etwas weniger als zehn Leuten bestand, waren folgende Leute hauptsächlich beteiligt:
Kotaro Hayashida (林田 浩太郎) — Hauptplaner
Hayashida - Spitzname: Ossale Kohta - schloss sich 1983 Sega an, nachdem er eine Jobanzeige in der Zeitung gesehen hatte. Lustigerweise hat er sich verlaufen, ist erst in eine Fabrikhalle gegangen, schafft es dann doch noch irgendwie zum Bewerbungsgespräch und bekam den Job.(missing reference) Ein Glücksgriff für die Firma, denn er zeigte sich später für Alex Kidd in Miracle World verantwortlich, eines der besten Spiele für das Master System und Segas Antwort auf Nintendos Mario in der Vor-Sonic-Ära. Nachdem er im Laufe der Neunziger Jahre Sega verließ, schloss er sich Game Arts an, wo er unter anderem an Grandia arbeitete.
Yuji Naka (中 裕司) — Programmierer
Yuji Naka ist das wohl prominenteste Mitglied unter den an Phantasy Star beteiligten Mitarbeitern. Nach seinem High-School-Abschluss entschloss er sich, nicht auf die Universität zu gehen und stattdessen seinen Traum vom Spieldesigner zu verwirklichen. Er zog nach Tokio und bewarb sich bei Namco, die ihn wegen seines fehlenden Abschlusses nicht anstellten. (Naka, Sega-16) 1984, im Alter von gerade einmal 19 Jahren, sah er eine Stellenausschreibung Segas, die händeringend nach Talenten suchten, die der Firma im Konsolenkrieg gegen Nintendo helfen sollten. Nach seinem ersten Projekt namens Girl’s Garden, einem merkwürdigen Arcade-Prä-Dating-Sim-Mix, wurde er Phantasy Star als Hauptprogrammierer zugeteilt. Somit zeigte er sich für die beeindruckenden 3D-Graphiken in den Dungeons verantwortlich.
Größeren Ruhm erlangte er aber einige Jahre später, als er zusammen mit dem Designer Naoto Ōshima, den er während der Arbeit an Phantasy Star kennenlernte, mit Sonic the Hedgehog einen Riesenhit landete. Er war viele Jahre lang so eine Art Sega-Miyamoto und für viele verschiedene Projekte verantwortlich, bis er 2006 die Firma verließ. Sein letztes Projekt war Rodea the Sky Soldier für Nintendo Wii und 3DS, erst kürzlich wurde bekannt, dass er sich Square Enix anschloss.
Das gesamte Team, das an Phantasy Star arbeitete, teilte sich einen Raum. Dadurch konnte jeder schnell einsehen, woran der andere arbeitete. Bild von Kotaro Hayashida. Aus (missing reference). Aus John Szczepaniaks Buchreihe The Untold History of Japanese Game Developers.(missing reference)
Tokuhiko Uwabo (上保 徳彦, BO) — Komponist
Tokuhiko Uwabo ist jemand, den kaum jemand kennen wird, der aber eine prägende Rolle für den Sound der Segaspiele aus den Achtzigern spielte. Der studierte Bauer (er hat Agrarkultur studiert) (Sega 16) kam 1985 zu Sega und arbeitete von da an als Komponist. Und seine Ludografie lässt sich sehen — Alex Kidd, Phantasy Star, Space Harrier, Ys, Castle of Illusion Starring Mickey Mouse, … Danach verliert sich seine Spur etwas, er verließ Sega 1997 und arbeitet seit 2007 für die Handyspielfirma Winlight.
Rieko Kodama (小玉 理恵子) — Design
Spricht man über Phantasy Star, wird oft der weibliche Held des Spiels als außergewöhnlich dargestellt. Dass mit Rieko Kodama aber auch eine Frau an der Entwicklung des Spiels beteiligt war, wird oft unterschlagen — dabei ist das noch außergewöhnlicher! Die junge Kodama wollte zunäscht Archäologie oder Kunst studieren, fiel jedoch durch alle ihre Kurse. (smspower) S ie besuchte daraufhin eine Designschule und schloss sich dann auf Grund eines Mitschülers, der zu Sega ging, ebenfalls der Firma an, obwohl sie bisher kaum Kontakt zu Videospielen hatte. Sie steuerte daraufhin immer wieder kleine Beiträge zu Spielen wie Alex Kidd oder dem SG1000-Port von The Black Onyx bei, bevor sie Hauptdesignerin von Phantasy Star wurde. In der Folgezeit arbeitete sie an einer Vielzahl an Projekten, unter anderem dem modernem Klassiker Skies of Arcadia, und ist das einzige (wichtige) Mitglied der Phantasy-Star-Entwickler, das noch immer bei Sega arbeitet. Zuletzt zeigte sie sich für die 7th-Dragon-Spiele zuständig.
Nicht unerwähnt soll bleiben, dass neben Kodama noch zwei weitere Frauen an dem Projekt maßgeblich beteiligt waren: Miki Morimoto (Gamer Miki) arbeitete eher hinter den Kulissen als Assistant Coordinator, doch ohne Chieko Aoki (青木 千恵子) würde es wohl kein Phantasy Star geben. Als das Projekt begann, hatte sie bereits das komplette Konzept der Geschichte fertig und diente während der Entwicklung als wandelnde* Phantasy-Star-Enzyklopädie bei Fanbriefen. Dies brachte ihr den Spitznamen *Otegami Chie (お手紙チエちゃん) ein - “Brief-Chie”. (shmuplation, 1993) Morimoto verewigte sich im Spiel als NPC, der den Spieler fragt, ob er Sega mag, und Aoki erfand das berühmt-berüchtigte Kuchenquest. Morimoto arbeitete noch an einigen weiteren Titeln (u.a. dem Master-System-Port von Ys), Aoki arbeitete noch an den zwei nächsten Phantasy-Star-Titeln und kehrte der Videospielindustrie nach ihrer Heirat den Rücken zu.
Neben Morimoto hat sich auch Hayashida unter seinem Spitznamen Alex Ossale im Spiel verewigt.
Das Momentum nutzen
Mit diesem jungen, talentierten - aber auch unerfahrenen - Team sollte also der große Coup gelingen, der hauseigenen Konsole einen RPG-Kracher zu bescheren. Und die Konkurrenz schlief nicht: Nachdem Enix 1986 mit Dragon Quest quasi über Nacht ein neues Genre erschuf, legte man im Januar ‘87 schnell nach und veröffentlichte Dragon Quest II, und auch Dragon Quest III sollte nicht lange auf sich warten lassen (das Spiel erschien im Februar ‘88). Gleichzeitig arbeitete Hironobu Sakaguchi bei Square an einem Spiel, das sich zur weltweit größten Serie japanischer Rollenspiele entwickeln sollte: Final Fantasy. Sega musste also einerseits schnell etwas herausbringen, um nicht in der “Masse” an RPGs unterzugehen, andererseits Alleinstellungsmerkmale entwickeln, um nicht als bloßer Dragon-Quest-Klon ohne eigene Ideen abgestempelt zu werden. Gleichzeitig wollte man die Überlegenheit der eigenen Konsole gegenüber Nintendos Famicom präsentieren.
Um die Konkurrenz auszustechen, mussten also einige Trickkisten gleichzeitig bedient werden. Und Sega scheute hier wirklich keine Mühen, um absolut neues Terrain im Bereich der Rollenspiele zu betreten! Schon allein die Geschichte ist beachtlich - oder besser gesagt, die bloße Existenz einer charaktergetriebenen Geschichte. Bisher waren die Helden in RPGs bloße Hüllen für die aufgestülpten Spielmechaniken. In Dragon Quest war man ein namenloser, meist schweigender Held, Final Fantasy beginnt mit der Legende der vier Krieger, die jedoch überhaupt keine Persönlichkeit haben, und selbst im Westen war man nicht viel weiter: Zwar waren die Ultima-Spiele immer größer und opulenter geworden, aber selbst im grandiosen Ultima IV fehlt es einer wirklichen Motivation des Hauptcharakters - und im Spiel geht es immerhin allein darum, ihn in den Avatar zu verwandeln!
Eine neue Art Geschichte
Phantasy Star geht jedoch einen völlig neuen Weg und schafft, zumindest rudimentär, eine Geschichte, welche primär durch die Agenda der Charaktere vorangetrieben wird. Im Mittelpunkt der Handlung steht mit Alis Landale ein weiblicher Held. Aus heutiger Sicht erscheint ein weiblicher Held in einem Videospiel von 1987 sehr revolutionär, doch tatsächlich waren Protagonistinnen in japanischen Spielen keine Seltenheit: Sega nahm hier mit Papri aus Girl’s Garden (Sega, 1984), das aus der Feder Yuji Nakas stammt, und Kurumi aus Ninja Princess (Sega, 1985), bei dem Rieko Kodama für das Design verantwortlich war, bereits eine Vorreiterstellung ein. Aber auch die Konkurrenz schlief nicht und zog mit Toby Masuyo aus dem Arcade-Spiel Baraduke (Namco, 1985), Reika Kirishima aus Time Gal (Taito, 1985), Ki aus The Return of Ishtar (Namco, 1986), Lucia aus The Wing of Madoola (Sunsoft, 1986), und schließlich Samus aus Metroid (Nintendo, 1986) nach. Mit Ausnahme von Metroid hatte keines dieser Spiele jedoch einen bleibenden Eindruck im kollektiven Gedächtnis gelassen. Metroid ist mit Ninja Princess das einzige Spiel, was auch im Westen erschien (Ninja Princess als The Ninja mit Änderung zum männlichen Protagonisten).
Die Verwendung einer Protagonistin in *Phantasy Star *war dabei kein Zufallsprodukt, sondern gezielt geplant, um etwas Neues zu erschaffen. (g-wie-gorilla, the-nextlevel). Trotz aller Positivbeispiele waren es damals vor allem Männer, die als Held in den Spielen dienten. Alis wurde dementsprechend so designt, dass weibliche Spieler sich mit ihr identifizieren könnten, auch auf die Gefahr hin, dass männliche Spieler es eben nicht können. (sczepaniak, kodama) Unklar ist, wer genau die Idee für die weibliche Protagonistin hatte, am wahrscheinlichsten sind jedoch Kodama oder Chieko.
Wahrscheinlich gab es damals in den späten 80ern noch weitaus weniger weibliche Spieler als heute und so zurückschauend glaube ich fast, dass wir damals ein paar ziemlich mutige, um nicht zu sagen tollkühne Entscheidungen getroffen haben. Rieko Kodoma (https://web.archive.org/web/20070706070751/http://www.g-wie-gorilla.de:80/content/view/187/5/)
Die Geschichte beginnt nun in dem Moment, in dem Alis Bruder Nero von den Truppen von König Lassic gefangen genommen und getötet wurde. Noch am Sterbebett ihres Bruders schwört Alis Rache - ohne wirklich zu wissen, wie. Wichtige Storyabschnitte des Spiels werden immer wieder in kleinen Anime-artigen Zwischensequenzen, jedoch ohne Bewegtbilder, dargestellt. Dadurch wirkt die Darstellung der Geschichte geradezu prototypisch für die minutenlangen Videosequenzen, die heute typisch in Videospielen sind.
Auf ihrer Reise trifft Alis drei Gefährten, die ihr unter die Arme greifen: der mächtige Krieger Odin, das Katzenwesen Myau sowie der mächtige androgyne Zauberer Noah. Die Geschichte wird dabei in kurze, aufeinanderfolgende Arcs eingeteilt: Zunächst muss Odin von seiner Versteinerung befreit werden, woraufhin dieser Rache an der Medusa nehmen will. Statt einer einzigen (oder zwei) Aufgaben wie noch im ersten Dragon Quest wird die Motivation des Spielers dauerhaft aufrecht erhalten, ganz ähnlich wie im gleichzeitig erschienenen Final Fantasy. Am Ende des Spiels, wenn man sich an König Lassic gerächt hat, wartet das Spiel sogar noch mit einem Twist auf, der für damalige Verhältnisse sicher geschockt hat (aber neben Final Fantasys Zeitreisehokuspokus etwas konventionell erscheint). Auch wenn die Charaktere nicht bloß leere Spielerhüllen sind, sollte man keine große Charakterisierung der Personen erwarten oder emotionale Twists; es ist schließlich immer noch 1987.
Der Krie… äh, die Fantasie der Sterne
Nicht nur Protagonistin, sondern auch Setting unterscheidete sich drastisch von bisherigen Spielen. So spielt Phantasy Star weder in einer klassischen Sword-&-Sorcery-Welt wie Dragon Quest noch in einer reinen SciFi-Umgebung wie Metroid. Stattdessen bediente man sich an einem der größten kulturellen Phänomene des letzten Jahrhunderts: an Star Wars. Statt die Geschichte jedoch zu plagiieren (husthust Final Fantasy II husthust), nutzte man das Designelements von Star Wars, die Vermischung von fernöstlichem Spiritualismus und Kultur mit westlicher Science-Fiction, um einen eigenen Mix zu schaffen. (smspower) So findet man in Phantasy Star einen Schwertkämpfer als auch jemanden, der mit einer Laserpistole um sich schießt, in der eigenen Gruppe.
Damit das Spiel größer wirkt, bediente man sich eines einfachen Tricks. Statt auf einem spielt das Spiel auf drei Planeten im selben Sonnensystem. Jeder hat dabei ein eigenes Thema: Erdähnlich, Wüstenplanet, Eisplanet. Zwischen den Planeten kann man nur mit einem Raumschiff reisen, und auf dem Eisplanet gibt es noch eine Art Schneeraupe, mit der man durch ansonsten unpassierbares Eis fahren kann. Insgesamt hat man einfach ein Gefühl der Größe, ohne dass die drei Weltkarten mehr bieten würden als in anderen Genrekollegen der Zeit.
Design/Dungeons
Das erste JRPG für Europa
Literaturverzeichnis
Spielverzeichnis
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